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Ein ereignisreiches Jahr (Teil 3) - Die erste Chemo

Osteosarkom - So wurde das Ding in meiner Schulter ab jetzt genannt.

Und gegen so ein Osteosarkom soll eine Chemotherapie helfen. 

Genauer gesagt eine Therapie aus 4 verschiedenen Mitteln, die speziell zu diesem Zweck zusammen gestellt werden. 

Also nicht richtig zusammen. Man bekommt sie alle nacheinander in wechselnden Abständen und jeweils unterschiedlich häufig. 

Das klang ganz schön kompliziert und deshalb bekamen wir einen eigenen Therapieplan mit allen Terminen.

Also mit allen geplanten Terminen. Aber was läuft im Leben schon nach Plan.

Zunächst wurde ich aber an diesem Montag, dem 5. Mai 2003 von der Orthopädie, wo ich auch operiert worden war, in die Kinderklinik auf die Onkologie verlegt. 

Im Zimmer angekommen wurde ich von meiner Zimmernachbarin Eva und Schwester Doro begrüßt, die gerade laut Suzi Quatro hörten und dazu tanzten.

Na das würde ja lustig werden.

Nachdem meine Eltern alle Formalitäten erledigt hatten, verabschiedeten sie sich. Ich sagte es reicht, wenn sie Freitag wieder kommen, denn da sollte ich entlassen werden. Schließlich war ich schon groß und würde das bisschen Chemo schon alleine überstehen. 

Am nächsten Tag war es dann soweit. Der Arzt kam mit einem Beutel, den er an den Infusionsständer hing. Ihr wisst schon, so ein Metallding mit Rollen unten und Haken oben. Den Beutel schloss er dann an die Nadel an, die bereits seit gestern in meiner Hand steckte. Darüber war mir auch schon Blut abgenommen worden.

Hatte ich erwähnt, dass ich Nadeln hasse? Für die Mediziner unter euch, ich weiß inzwischen, dass da nur ein dünner Schlauch in meiner Hand steckte, aber damals war ich mir halt sicher es wäre eine Nadel und deshalb bewegte ich meine Hand so wenig wie möglich. Schließlich wollte ich nicht, dass die Nadel versehentlich irgendwo anders hin stach.

Aber zurück zur Chemo. Der Arzt stellte den Infusomat ein. Das ist ein kleiner Kasten durch den der Schlauch gelegt wird und an dem man einstellen kann wie schnell die Flüssigkeit in meinen Körper läuft. Grundsätzlich macht das immer das Pflegepersonal, aber den Einschalter für die Chemo darf nur der Arzt drücken. 

Nun ging es also los. Die rote Flüssigkeit begann in meinen Körper zu fließen. Zwei mal 24 Stunden sollte das dauern. Morgen um diese Zeit würde also der nächste Beutel angehängt. 

Ich durfte mich frei bewegen, blieb aber erstmal im Bett und unterhielt mich mit Eva. Sie war 10 oder 11 und hatte schon einige Chemos hinter sich. Also erklärte sie mir die ganzen Abläufe und was noch so auf mich zukommen würde.

Außerdem zeigte sie mir wo ich die Brechschalen fand und stellte schon mal ein paar auf meinen Nachttisch. 

Keine Minute zu früh wie sich heraus stellte, denn plötzlich begann die Übelkeit. 

Darauf war ich irgendwie nicht vorbereitet und Eva rief erstmal die Schwester. Die konnte aber auch nichts machen, denn keins der Mittel gegen Übelkeit half bei mir. 

Also kotzte ich 2 Tage durch. Obwohl längst nichts mehr in meinem Magen sein konnte, denn ich aß die ganze Zeit nichts.

Am Mittwoch wurde dann der zweite Beutel mit Chemo angehangen. Wieder über die Nadel, die seit Montag in meiner Hand steckte. Wie lange konnte die eigentlich drin bleiben? Ach für eine Chemo wird die noch gehen, dachte sich der Arzt und drückte auf Start.

Er irrte sich. Nach einer Weile spürte ich ein Brennen in meiner Hand. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein. Schließlich fand ich das Ding in meiner Hand die ganze Zeit unangenehm. Naja lieber doch mal der Schwester Bescheid sagen.

Als sie den Verband abwickelte sah man eine deutliche Schwellung auf meinem Handrücken. Die Chemo war also nicht in meine Vene, sondern ins Gewebe gelaufen. Also schnell alles raus und eine neue Nadel in die andere Hand. Dort lief die Chemo dann auch wie geplant weiter.

An meinem linken Handgelenk bildete sich ein 5cm langer brauner Strich, der von der Hand zum Arm lief. Lange Zeit konnte man ihn deutlich sehen und noch heute kann man ihn erahnen.

Am Mittwochabend stand plötzlich mein Vater in der Tür. "Was willst du denn hier?" war vielleicht keine angemessene Begrüßung, aber ich kam wunderbar alleine klar und brauchte niemanden. 

Die Mitarbeiterin vom Sozialen Dienst hatte ihn angerufen und gesagt es würde mir sehr schlecht gehen und meine Eltern sollten doch gefälligst mal vorbei kommen. Die gute Frau war wohl etwas übermotiviert, denn sie hatte überhaupt nicht mit mir gesprochenen und ich hatte nicht gesagt, dass ich meine Eltern sehen wollte. 

Wollte ich ja auch nicht!

Für meine Eltern bedeutete ein Besuch je eine Stunde Hin- und Rückfahrt und zu Hause wollten noch 2 jüngere Schwestern versorgt werden. Trotzdem kam mein Vater also an diesem Abend nach der Arbeit vorbei und war etwas verärgert, dass er das völlig umsonst getan hatte.

Am nächsten Tag war auch der zweite Beutel Chemo leer und die Übelkeit verschwand langsam.

Nachmittags kamen mein Onkel und meine Tante zu Besuch und brachten mir Erdbeeren mit. 

Ich liebe Erdbeeren!

Da ich ja mittlerweile seit zwei Tagen nichts gegessen hatte, schmeckten sie umso besser. Nach zwei Tagen ohne Essen ist es allerdings nicht klug eine ganze Schale Erdbeeren zu verschlingen. So ließ ich sie mir halt noch mal durch den Kopf gehen. Zum Glück hatte Eva meinen Brechschalenvorrat noch mal aufgefüllt.

Abends begann ich dann langsam mit etwas Brot und am Freitag konnte ich tatsächlich entlassen werden.

Ich hatte meine erste Chemo geschafft, aber es würden noch einige folgen.

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