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Ein ereignisreiches Jahr (Teil 5) - Die große Operation

Zwei Monate lang bekam ich nun schon Chemo. 

Wisst ihr noch? Dieses Zeug von dem mir so schlecht wurde.

Ich bekam allerdings unterschiedliche Chemos und sie hatten unterschiedliche Wirkungen. Nicht von jeder wurde mir schlecht. Von manchen bekam ich auch einen seltsamen Geschmack im Mund gegen den nur essen half.

Mein Leben bestand also aus essen worauf ich gerade Lust hatte und kotzen. 

Erinnert mich gerade ein bisschen an die Schwangerschaften.

Am 11. Juli war es dann endlich soweit. Ich kam wieder in den OP. 

Der Chefarzt, der mich unbedingt selbst operieren wollte, hatte uns erklärt, dass sie den Tumor mit dem kompletten Schlüsselbein entfernen. Sie können allerdings kein Implantat stattdessen rein setzen, weil ich noch im Wachstum bin. Das ist aber nicht schlimm, weil man auch ohne Schlüsselbein leben kann.

Ich darf nur keinen Mannschaftssport oder andere Sportarten mehr ausüben bei denen die Schulter verletzt werden könnte, denn sie ist ohne Schlüsselbein instabiler.

Wer ganz am Anfang gut aufgepasst hat weiß, dass das die beste Nachricht des Tages war! Ich würde nie wieder Sport machen müssen! Tschüss verhasster Sportunterricht!

Ganz so schön wurde es aber doch nicht denn Leichtathletik durfte ich natürlich noch machen.

Aber zurück zur OP. Ich wurde also von der Kinderklinik in die Orthopädie gebracht. Dort operierte mich der Chefarzt wie versprochen persönlich und als ich wieder wach wurde hing ein Schlauch unter einem riesigen Pflaster aus meiner Schulter. Das war eine sogenannte Drainage aus der die Wundflüssigkeit abfließt. Wer schon mal operiert wurde weiß, dass sie zwei bis drei Tage drin bleibt.

Was nicht nur für zwei bis drei Tage sondern für 6 Wochen blieb war die Schlaufe in der mein Arm liegen musste.

Das bedeutete, dass ich die nächsten 6 Wochen nur noch meinen linken Arm benutzen durfte. Also Zähne putzen mit links, Nase putzen mit links, schreiben mit links, anziehen mit links.

Aber das schaffte ich natürlich mit links und mit ganz viel Unterstützung meiner Mutter.

Nach etwa 5 Wochen konnte ich immerhin Karten in der rechten Hand halten, was das Skip-Bo spielen mit meinem Vater einfacher machte.

Nach 6 Wochen kam die Schlaufe endlich ab und ich durfte meinen Arm wieder bewegen. 

Ich bekam auch Physiotherapie. Allerdings sah ich die Physiotherapeutin gefühlt genau ein mal und dann nie wieder. Ich weiß nicht ob sie doch öfter da war, aber sie hinterließ keinen bleibenden Eindruck. Das meiste brachte ich mir selbst wieder bei und kam so nebenbei auf meinen Berufswunsch.

Das mit dem bewegen war aber gar nicht so einfach, denn so ein Schlüsselbein fehlt doch irgendwie wenn es nicht da ist. 

Ich musste erst lernen meine Schulter nach hinten zu ziehen wenn ich etwas trage. Besonders bei schweren Sachen tat die Schulter noch lange weh da ich sie zu weit nach vorne klappte.

Das klingt jetzt etwas seltsam, aber ich kann meine Schulter tatsächlich nach vorne klappen und mein Kinn darauf ablegen ohne den Kopf zu drehen.

Meine Schwestern fanden das am Anfang ziemlich eklig, aber ich war überall eine Attraktion und ließ keine Gelegenheit aus mein 'Kunststück' zu zeigen.

Inzwischen habe ich mich an das fehlende Schlüsselbein gewöhnt. Nicht allerdings an die Blicke im Schwimmbad. Jedes mal frag ich mich ob ich irgendwas zwischen den Zähnen hab oder mein Bikini verrutscht ist, bis ich mich erinnere, dass die Leute auf die riesige Narbe gucken. 

Nochmal für die Mediziner unter euch: man sieht jetzt den Processus coracoideus, der sonst unterm Schlüsselbein versteckt ist.

Das war nun also weg, genau wie der Tumor. Zum Glück war dieser abgekapselt und hatte nicht gestreut. Trotzdem ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende, denn die Chemo ging noch ein halbes Jahr weiter...

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Kommentare: 1
  • #1

    Lacuna (Freitag, 13 Oktober 2017 11:39)

    Also mir gefällt es. Reicht das, um weiter zu schreiben? ;)