Zur Beerdigung meines Vaters im Jahr 2016 habe ich diesen Text geschrieben und vorgelesen.
Er starb mit 56 Jahren an Krebs.
Zu seinem heutigen Todestag möchte ich diesen Rückblick mit euch teilen.
Eine der ersten Erinnerungen, die ich an meinen Vater habe, ist der Tag an dem er von der Kanzel fiel.
Ich weiß nicht mehr genau wie alt ich war, aber ich schätze ca. 4-5 Jahre.
Wir haben zu dieser Zeit in Duisburg gewohnt und sind dort in eine Brüdergemeinde (evangelisch-freikirchlich) gegangen.
An diesem Tag fiel er wie gesagt von der Kanzel und wurde von ein paar Leuten raus getragen. Was sonst noch an diesem Tag passiert ist weiß ich nicht mehr, aber ich komme gleich noch mal darauf zurück.
Während unserer Zeit in Duisburg war Papa sehr aktiv in Kindergarten und Schule. Er war im Elternrat und Klassenpflegschaftsvorsitzender und hat sich überall eingebracht.
Ein Mal hat er für ein Fest in der Schule Wertmarken gemacht. Dazu hat er mehrere Wertmarken auf ein Blatt gedruckt und es anschließend mit der Nähmaschine perforiert damit man sie einzeln abreißen kann. Keine Ahnung wie viele Stunden er dafür an der Nähmaschine saß.
Da er als Verkäufer gearbeitet hat, konnte Papa uns morgens zur Schule bringen. Dafür war er abends meistens erst spät zu Hause.
So viel er sich im Kindergarten und in der Schule engagiert hat, so wenig hat er im Haushalt geholfen.
Ich erinnere mich wie er oft nach dem Mittagessen auf der Küchenbank saß und mit halboffenen Augen geschlafen hat, während ich das Geschirr abtrocknen musste.
Darüber habe ich mich manchmal geärgert und wenn ich jetzt so zurück denke fällt mir kein einziges Mal ein wo ich Papa gesehen hätte wie er im Haushalt hilft. Aber ich kann mich irren.
Dafür hat er andere Sachen gemacht. Er hat unser Haus zum großen Teil selbst ausgebaut und zuletzt hat er Omas Badezimmer und den Flur komplett neu gemacht.
Papa war immer ziemlich direkt und hat gesagt was ihm gerade einfiel. Das war nie böse, aber manchmal großer Unsinn. Oft habe ich gehofft, dass er einfach aufhört zu reden, weil es schon ein bisschen peinlich war, aber alle anderen fanden es scheinbar witzig.
Ein Mal war er mit Arbeitskollegen essen und als er nach Hause kam, brachte er zwei blaue Eisbecher aus Glas mit. Wir haben ihn gefragt wo er die her hat und er meinte nur: "Da war Eis drin und ich fand sie schön, also habe ich gefragt ob ich sie mitnehmen darf." Er durfte und sie stehen noch immer bei Mama im Schrank.
Auch als er krank wurde hat Papa seinen Humor nicht verloren.
Er hat mit den Ärzten und dem Pflegepersonal gescherzt und ich hatte immer das Gefühl, dass alle ihn mochten.
Als er dann erfahren hat, dass die Ärzte nichts mehr für ihn tun können, hatte ich den Eindruck er habe sich verändert.
Er hat keine Witze mehr gemacht und war nicht mehr der Mann den ich kannte.
Bis zu dem Freitag bevor er starb.
Da hatte er eine kleine Sprühflasche mit Wasser um sich die Hände nass zu machen. Das tat ihm scheinbar gut. Als dann die Schwester seine Schläuche umgesteckt hat, hat er sie auch nass gemacht und sich richtig über diesen kleinen Streich gefreut.
Das war Papa!
Samstagabend waren meine Schwester und ich dann noch da und er wollte, dass wir ein bestimmtes Lied ('You raise me up') an machen. Als es lief hat Papa die Hand dazu bewegt und sogar mit gesungen.
Genau so wie in diesen beiden Tagen werde ich meinen Vater in Erinnerung behalten, denn genau so war er!
Und er war Evangelist! Er wollte, dass jeder erfährt woran er glaubt und wer ihm die ganze Zeit über Kraft gegeben hat. Deshalb hat er jedem, den er getroffen hat, eine Karte geschenkt. Das waren unterschiedliche Karten, aber jedem wurde klar, dass mein Vater zu Gott gehört und er darauf vertraut, dass Gott einen Plan mit ihm hat.
Und so komme ich jetzt wieder auf die Geschichte vom Anfang zurück.
Ich habe damals nicht verstanden warum Papa von der Kanzel gefallen ist und wusste nicht ob er sich dabei ernsthaft verletzt hat. Viele Jahre kam immer mal wieder die Erinnerung daran hoch und vor einiger Zeit habe ich meinen Vater dann gefragt was damals eigentlich passiert ist.
Er hat mir erklärt, dass es ein Sketch war. Er ist also nicht einfach gefallen, sondern das Ganze hatte einen Sinn.
Auch jetzt verstehe ich nicht warum Papa schon sterben musste, aber ich glaube daran, dass ich ihn eines Tages wiedersehe und auch, dass sein Tod einen Sinn hat.
Auch wenn ich ihn jetzt noch nicht erkenne.
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